Reisebericht Kenia April 2019
Diesen Reisebericht hat Dr. Martin Bischoff nach seinem ersten Besuch in Kenia im April 2019 verfasst. Seitdem hat er das Land häufig besucht, die Projekte vor Ort weiterentwickelt und Maßnahmen vorangetrieben.
In Zusammenarbeit mit dem Verein JUAMII hat sich die Bischoff & Ditze Energy bereits 2018 bei der Tenderfeet School in Dagoretti (Nairobi) und in 2019 bei dem Bethlehem Community Center (BCC) an der Finanzierung einer Solaranlage beteiligt. Um die Umsetzung dieses Projektes persönlich vor Ort nachzuverfolgen und um weitere potenzielle Projekte in Kenia auszuwählen, besuchte Dr. Martin Bischoff zusammen mit Thien Ditze (Fotograf) im April 2019 das Land in einer einwöchigen Reise. Der folgende Bericht von Herrn Bischoff gibt die persönlichen Impressionen zu Land und Leuten und Einschätzungen zu den besuchten Projekten wieder.
Anreise und erste Impressionen am 20. und 21.04.2019
Nachdem ich sowohl in Hamburg als auch in Heathrow komplett gefilzt wurde, erreichte ich am späten Abend Nairobi und noch etwas später (es dauerte etwas Thien einzufangen, da der Flughafen mehrere auseinanderliegende Terminals hat) unser Hotel. Das Kahama Hotel liegt an der Murang‘a Road, am äußeren Innenstadt-Bereich, was bedeutet, direkt vor dem Hotel pulsierendes Stadtleben, direkt hinter dem Hotel Armut und Slums. Das Hotel bietet einen guten Service, gutes Essen und erhielt in den Jahren 2017 und 2018 eine TripAdvisor-Empfehlung. In Thiens-Zimmer gibt es Stechmücken und in meinem einige Kakerlaken. Thien meint, die Stechmücken lieben ihn halt. Was bedeutet dies für mich und die Kakerlaken?
Das Frühstück ist ebenfalls sehr gut, eine Mischung aus Obst, Brot und nationalen Gerichten: Samosa (gefüllte, vegetarische Teigtasche) sehr lecker; Nguma (Hirseplätzchen) und Nguwachii (Gemüse) sind etwas gewöhnungsbedürftig; Gizzard (gebratener Hühnermagen) geht gar nicht. Das hat die Konsistenz eines einzigen Knorpels und schmeckt zudem nach Dachpappe. Hühnernieren und Hühnerleber sind hingegen ok. Am Abend überwiegt Fisch und M’Buzi (Ziege) beim Essen. Am zweiten Abend habe ich ein ganzes Ziegenbein gegrillt gegessen. Sehr schmackhaft, aber für eine Person fast zu viel.
Besonders hervorheben möchte ich den Fahrdienst bei unseren unterschiedlichen Reisen. Das hat immer prima und pünktlich geklappt. Die Buchung eines Fahrer*in für den ganzen Tag kostet inklusive Benzin 5.000 bis 6.000 Kenianische Shilling, also 50 bis 60 US-Dollar. Im Kahama Hotel sind ca. 40 Prozent der Gäste Tourist*innen bzw. Touristengruppen, weitere 40 Prozent Geschäftsreisende oder Teilnehmer*innen an Tagungen, da das Kahama auch Konferenzräume anbietet.
Auch nicht zu verheimlichen und leider traurige Wahrheit: die verbleibenden 20 Prozent sind die Art von Touristen, die einige der einheimischen Frauen kennenlernen wollen und ihnen ein besseres Leben versprechen. Diese Frauen sind einfache Menschen, die ihrer Armut entfliehen wollen. Tja, nach zwei Tagen ist dieser Traum dann ausgeträumt.
Die Situation im Land
Und so kommen wir zu dem großen Thema Armut. In Kenia leben rund 46 Millionen Menschen, davon in Nairobi ca. 4,5 Millionen. Annähernd 80 Prozent der Kenianer*innen haben keine feste Arbeit. Das Einkommensteuermodell kann also gar nicht genügend Mittel generieren. Auch wurde mir in eigentlich allen Gesprächen mit Kenianer*innen (vor allem auch außerhalb der Meetings) erklärt, dass es außer beim Marathon kein Gemeinschaftsgefühl gibt. Wer einmal was erwirtschaftet hat, will auf keinen Fall teilen oder was an Bedürftige abgeben.
Ebenfalls übereinstimmend wurde berichtet, dass was an offizieller Hilfe nach Kenia kommt, also über Kenianische Stellen (Regierungs-Behörden) läuft, zu 70 Prozent in anderen Taschen landet. Korruption, so die Kenianer*innen, ist an der Tagesordnung, bzw. normal. Viele Kenianer*innen haben eine sehr naive Sichtweise auf dieses Problem. Mir wurde mehrmals als Lösung vorgeschlagen, dass die Reichen dann eben im Supermarkt für die Produkte mehr bezahlen sollten! Wie so etwas funktionieren sollte und wie das Geld vom Supermarkt aus verteilt werden sollte, konnte mir freilich niemand sagen. Nur ja nicht über den Staat, wegen der Korruption, meinte mein Zimmermädchen.
Diese Idee wird aber tatsächlich in Teilen vom Staat aufgegriffen. Eintrittspreise für Museen, Nationalparks etc. werden immer für Residence und Non-Residence angegeben. Der Unterschied liegt bei Faktor Drei bis Vier.
Ansonsten bleibt festzuhalten, dass die Kenianer*innen sehr hilfsbereit sind. Man kann (am Tag) in jedem Slum anhalten und nach dem Weg fragen. Es wird einem immer geholfen! Weiße sieht man in Nairobi gar nicht. Und wir sind in Summe sicherlich mehr als fünfzehn Stunden durch die Stadt gefahren.
Geld sollte man in Forex-Büros vor Ort tauschen, da es zum einen in Deutschland kaum möglich ist, da die Banken keinen Kenianischen Schilling handeln und man zum anderen vor Ort in aller Regel den besseren Kurs bekommt. US-Dollar wird meist akzeptiert und auch die gängigen Kreditkarten haben eine hohe Akzeptanz.
Auffallend ist der hohe Sicherheitsstandard. Jedes Hotel, jede Einkaufsmeile, jedes Museum wird von Security-Firmen oder dem Militär bewacht. Taschen werden immer kontrolliert! Zum einen ist dies in der Angst vor islamistischen Terrorakten begründet, die seit die Kenianische Armee in Somalia in den Krieg eingegriffen hat, erheblich zugenommen haben. Ich persönlich glaube aber auch, dass es um Angst vor Plünderungen geht. Selbst eine Reisfirma/Reisdepot wurde streng bewacht und die stehen zumeist nicht im Fokus islamistischer Terrorakte.
Generell zur Religion ist festzuhalten, dass über 80 Prozent der Bevölkerung Christ*innen sind. Vor den Mahlzeiten wird gebetet, bzw. Gott für die Gaben gedankt. Der Kirchgang schien mir einen weniger hohen Stellenwert zu haben. Weitere 10 Prozent sind Moslems. Der Rest teilt sich unter asiatischen Glaubensrichtungen auf. Interessant ist, dass jeder an irgendwas glaubt. Atheist*innen gibt es faktisch nicht und ist hier auch für niemanden vorstellbar.
Die Geschichte ihres Landes sehen die Kenianer*innen dreigeteilt: die Stammeszeit, gefolgt von der Kolonialzeit durch die Briten und die Unabhängigkeit seit Dezember 1963.
Von Deutschland haben die Kenianer*innen – auch unsere Projektpartner*innen vor Ort – überhaupt kein Bild. Das meine ich wörtlich. Sie kennen kein deutsches Bauwerk, kein Bild einer deutschen Stadt oder Landschaft, haben keinerlei Vorstellung von unserem Staatssystem oder unserem Klima. Ein Grund mag sein, dass es in Kenia kein Bildungsfernsehen gibt. Hier heißt Fernsehen billige Commercials, billige Daily Soaps sowie Nachrichten (zu 90 Prozent Landesgeschehen: wir haben gesehen, dass der Aufmacher der Hauptnachrichtensendung die Besiedlung eines Parks in Mombasa durch 500 Fledermäuse war) und englischer Fußball. Die einzigen Deutschen, die der Kenianer*in kennt sind daher Leroy Sane und vor allen Dingen Jürgen Klopp als Trainer von Liverpool. Reportagen jeglicher Art gibt es gar nicht. Vielleicht kann hier das Internet zukünftig helfen, den Kindern auch ein Bild von Deutschland zu machen. Auch Begriffe wie Schulpflicht sind hier vollkommen unbekannt. Altersabsicherung über Renten existiert de facto nur auf dem Papier. Daher verstehen die Kenianer*innen nicht, wie man mit nur ein bis zwei Kindern (Deutschland) im Alter überleben kann.
Was die Preise in Kenia betrifft, gehe ich nur auf die für unsere Projekte relevanten Größen ein, nämlich Strom und Benzin (Diesel). Für Strom fallen pro Monat, pro Haushalt rund 5.000 Schilling an (rund 50 Dollar). Der Liter Benzin (Diesel) kostet einen Dollar.
Was uns sonst auffiel, war natürlich, dass Kenia ein Land der extremen Gegensätze ist. Auf der einen Seite Reichtum mit stark bewachten Außenbezirken (Karen Blixen Villenbezirk) und absolute Armut (10m² Wellblechhütte für fünf Personen). Diese katastrophalen Wohn- und Hygieneverhältnisse betreffen den Großteil der Bevölkerung. Die beengten Verhältnisse sind auch dafür verantwortlich, dass es außer einer Handvoll Hunden auf der Straße keine Haustiere gibt. Ich möchte sogar so weit gehen, dass Hunde in einigen der ärmsten Slumgegenden Nahrungskonkurrenten für Essensreste im Müll darstellen.
Das Land selbst ist genauso gegensätzlich. Auf einen Streifen Regenwald mit seinem Füllhorn an Leben und Artenreichtum, folgen 30 km verdorrtes Land, bevor es wieder in den Regenwald übergeht. Ich hätte mir das großflächiger vorgestellt, nicht so wie ein Zebrafell. Und bei den Menschen geht es so weiter. Entweder die Leute haben strahlend weiße Zähne oder aber extremst schlechte Zahnhygiene. In Kenia gibt es kein grau, keine Zwischenstufen. Reichtum bzw. hinreichendes Einkommen stehen bitterster Armut gegenüber.
Bevor ich zu unseren Projekten und der herausragenden Bedeutung von Bildung komme, noch schnell ein paar Worte zu Thiens und meinen weiteren Aktivitäten.
Um einen umfassenden Eindruck von dem Land zu bekommen, waren wir natürlich auch gezwungen, „leider“ einen Blick auf die touristischen Attraktionen Nairobis zu werfen. Wir besuchten dazu die David Sheldrick Elefanten-Aufzuchtstation, das Giraffen-Center im Blixen-Bezirk, das Nationalmuseum mit dem angegliederten Schlangenpark, einen Massai-Markt, auf dem die ihrer Tradition beraubten Massai einem in unerträglicher Art und Weise hinterher liefen, um einem ihr Kunsthandwerk anzupreisen. Zum Schluss noch ein Wort zum Verkehrswesen. Das Straßenbild wird von Matatus (Kleinbusse), Kleinmotorrädern und alten Karren geprägt. Auch wenn man es nicht sollte, muss man doch schmunzeln, wenn man an die Euro 4, Euro 5 Norm Dieseldebatte denkt, während man sich umgeben sieht von Fahrzeugen, die irgendwo bei Euro minus 34 liegen müssten. Jetzt aber endlich zu den Projekten.
Bethlehem Community Center (BCC) Nairobi (Soweto) am 22.04.2019
Die Solaranlage der BCC wurde gemeinsam durch die Stadtwerke Mosbach und der Bischoff & Ditze Energy finanziert und durch örtliche Kräfte im Frühjahr 2019 errichtet und betrieben.
Wir wurden sehr warmherzig von Cyrus Waithaka und seiner älteren Schwester Maria (Mama Maria) empfangen, die auch die Gründerin der Schule ist. In dem Stadtteil, der nach dem südafrikanischen Armenviertel Soweto benannt wurde, leben ungefähr 500.000 Menschen. Ein Großteil davon Kinder. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 90 Prozent. 340 Kinder besuchen die Schule derzeit. 45 Kinder (Waisen) leben ständig in der Schule. Es gibt einen großen Schlafsaal für Jungen, einen für Mädchen. Da die Toiletten nicht ans Wassersystem angeschlossen sind, müssen die Kinder einen Eimer Dreckwasser mitbringen. Die Kinder werden in der Schule auch mit Essen versorgt. Durch die Installation der Solaranlage hat sich die Situation erheblich verbessert. Kerosinlampen und Paraffinlampen, die früher in den Abendstunden genutzt wurden, gibt es nicht mehr. Hierzu muss man wissen, dass es in Nairobi aufgrund der Äquatorial-Lage jeden Tag bereits gegen 18:30 Uhr dunkel wird. Jetzt können die Kinder auch abends lernen und lesen.
Bemerkenswert ist, dass auch Kinder die Schule aufsuchen, um zu lesen, die gar nicht zu den Schüler*innen zählen. Es machte zudem wirklich den Eindruck, dass alle Kinder gerne die Schule besuchen. Zum einen, um von zu Hause und der Straße wegzukommen und auch, um sich tatsächlich zu bilden und einen Schulabschluss zu erreichen. Fast scheint es, als hätten sie ein inneres Gespür dafür, dass nur (eine Schul)Bildung ihnen die Möglichkeit bietet, das bittere Brot ihrer Armut „mit einer Scheibe Speck“ zu belegen. Dementsprechend klar sind auch die Berufsvorstellungen der Kinder.
Kinder, die freiwillig gerne und auch in ihrer Freizeit zur Schule gehen, findet man in Deutschland sicher selten. Vielleicht ist es an dieser Stelle ganz gut, dass in Kenia das Fernsehen keine Beschäftigungsalternative bietet. Computerspiele gibt es in der Schule aufgrund der katastrophalen technischen Ausstattung nicht. Im BCC gibt es einen Computer, der fatal an meinen alten 486er erinnert. Im Prinzip sind die für jeden Rechner, der nach 2000 produziert wurde, sehr dankbar. Hier sollten wir wirklich mal schauen, was bei uns im Büro an alten Laptops herumsteht und ggf. auch gezielt einige unserer Kund*innen danach fragen. Meinen Informationen nach, kann man bis zu zwanzig Laptops problemlos nach Kenia einführen.
Wie bei allen Gesprächen habe ich BDE eher als Vertreter einer Gruppe interessierter Unternehmen dargestellt, weniger als Einzelunternehmer. Ich habe gesagt, dass wir uns quasi als „Türöffner“ verstehen, die durch die Verbesserung der Energiesituation und ggf. der Rahmenbedingungen für Bildung der Schule, bzw. den Kindern Türen öffnen wollen. Hindurchgehen müssen sie allerdings selbst!
Höhepunkt des Tages war die Einweihung eines Teils der Bibliothek mit elektrischem Licht. Mir kam dabei die Ehre zu, den Lichtschalter zu betätigen. Anschließend beteten und sangen die Kinder für uns und ich wurde aufgefordert mit den Kindern zu tanzen. Eine Aufgabe, der ich aufgrund meiner großen Geschmeidigkeit – einem Tiger nicht unähnlich – souverän gerecht wurde. Lediglich der feixende Fotograf hinter der Kamera, trübte den kulturellen Schmaus ein wenig. Nachdem ich mich (uns) dann in das „goldene Buch“ der Schule eingetragen hatte, endete unser Besuch.
Was noch zu sagen wäre:
Die Solaranlage funktioniert einwandfrei. Ich glaube es war gut hier auf Geschenke zu verzichten (für die Kinder). Vor uns war Prinz Edward vom britischen Königshaus mal dort zu Besuch. Allerdings hat sich seine Wohltätigkeit auf eine Entschuldigung für die Kolonialzeit und vage Ankündigungen reduziert. O-Ton „Mama Maria“: „With the solar roof, you have done much more for us, than the royal family.“
Ich halte das BCC-Project für absolut förderwürdig von unserer Seite. Und auch wenn die Wasserversorgung hier ein großes Problem darstellt, würde ich die technische Ausstattung (Laptops) in den Vordergrund stellen. Der Link zur sauberen Energieversorgung liegt auf der Hand, da Laptops ja bekanntlich Strom brauchen.
Mwea-Waisenhaus (BCC-Ableger) am 23.04.2019 (2,5 Stunden außerhalb von Nairobi)
Mit diesem Projekt tue ich mich etwas schwer. Irgendwie finde ich den direkten Nutzen hier schwerer zugänglich. Das Waisenhaus liegt ca. zweieinhalb Fahrstunden außerhalb von Nairobi. Irgendwo im Nirgendwo. Die Waisen kommen aus einem Umkreis von fünfzig Kilometern (ich vermute eher 100 Kilometer). Die Abgelegenheit des Orts wurde uns damit erklärt, dass das Gelände ihnen von der britischen Queen als Entschuldigung für die Kolonialzeit geschenkt worden sei. Schön und gut, aber es bleibt die Frage, warum das Land nicht verkauft wurde und das Waisenhaus nicht in der Nähe der BCC School in Nairobi errichtet wurde.
Wie bei der BCC ist Mama Maria hier die große Chefin. Das Waisenhaus selbst wird von Samuel, einem Lehrer geleitet: Strom für die Wasserpumpe/Brunnen wird über einen Dieselgenerator erzeugt. Pro Jahr benötigen sie ca. 5.000 Liter Diesel, also 5.000 bis 6.000 US-Dollar. Ob der Dieselgenerator durch ein Solarpanel ersetzt werden kann, ist in erster Linie eine technische Frage. Derzeit befinden sich genau 48 Waisenkinder in Mwea. Sie haben aber Platz für bis zu 100 Kindern. Die derzeitigen Schüler*innen sind zwischen fünf und 18 Jahren alt. Das kenianische Schulsystem setzt sehr früh an, nämlich mit vier Jahren in der Primary Education (early childhood). Mit fünf Jahren geht es dann in die PP1 und ein Jahr später in die PP2, also mit sechs Jahren. An diese drei Jahre early education schließen sich dann acht reguläre Schulklassen an. Auf dem Papier hört sich das toll an, aber wie soll das ohne Schulpflicht funktionieren? Zumal in regulären Schulen eine Gebühr erhoben wird, die sich die Armen eh nicht leisten können. Um es kurz zu machen, es funktioniert gar nicht, bzw. nur für die Privilegierten.
Oft wird hier von Kenianer*innen außerhalb der Schulprojekte gesagt (mehrere Gespräche geführt) Kenia wäre halt ein „agriculturell country“. Die Wahrheit sieht aber so aus, dass die Teeproduktion unter der Verschiebung der Trockenzeit leidet (Klimawandel). Gleiches gilt für die Reisproduktion, die zudem die Großhandelspreise aus Asien nicht mitgehen kann. Bei Bananen und anderen Südfrüchten wurde Kenia von Südamerika ausgestochen. Was bleibt ist Kaffee – eins von vier Standbeinen – zu wenig!
Jetzt aber zurück zu Mwea. Unser mulmiges Gefühl wurde dadurch unterstrichen, dass der Brunnen und die Pumpanlage verstaubt und von Spinnenweben überwuchert waren, auch musste ein Seil durchgeschnitten werden, um die Klappe zum Brunnen zu öffnen. Sorry, regelmäßiger Gebrauch, da sind sich Thien und ich einig, sieht anders aus. Die technische Ausstattung ist genauso schlecht wie bei BCC. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass uns neben Mama Maria und Cyrus auch die jüngere Schwester Naomi begleitet hat – in der Rolle der stummen Zuschauerin. Samuel war sehr aufgeschlossen und freundlich. Auf der Rückfahrt erklärte uns Mama Maria, dass ihr Hauptansporn ist Gutes zu tun, um damit Gott zu dienen und Gottes Wünschen gerecht zu werden. Aha. Aber wenn das ihre Motivation ist, kann ich damit gut leben. Seit es die BCC-School gibt, so Mama Maria, haben rund 3.000 Kinder die Schule durchlaufen.
Die Schulbibliothek in Mwea enthielt ausschließlich Schulbücher, also kein Buch, was ein Kind einfach mal aus Spaß am Lesen oder der interessanten Geschichte wegen liest. Wie bereits eingangs gesagt, fällt mein Fazit hier etwas gemischt aus. Fand ich bei der BCC-School den Aufbau, den Ansatz und auch die Umsetzung gut durchdacht, bei Mwea erschien mir das alles irgendwie (lieblos) dahin geklatscht. Ich muss jedoch zugeben, dass diese Einschätzung zu Zweidrittel auf meinem Bauchgefühl beruht und natürlich ist Mwea absolut förderwürdig. Doch ich bleibe dabei, dass die BCC-school in Soweto erheblich mehr Potential bietet und zwar nicht nur für uns als Unternehmen, oder anderen Spendern, sondern vor allen Dingen für die Kinder!
Tenderfeet School am 24.04.2019
Bevor ich auf unser Leuchtturmprojekt eingehe, schnell ein Wort zu Mama Margaret – sie kommt sehr sympathisch rüber. Sie lacht und betet gern, wobei das Lachen eindeutig überwiegt. Der Empfang war sehr warmherzig, sehr freundlich und in keiner Weise gestellt. Die Solaranlage ist für sie ein einziger Segen. Früher lagen die Stromrechnungen monatlich zwischen 6.000 und 16.000 Ken. Schill., mithin 60 bis 160 US-Dollar. Jetzt gibt es keine Stromrechnungen mehr, da das Panel die Schule komplett mit Strom versorgt. Kerosin- und Paraffinlampen sind ebenfalls Geschichte!
In dem Kibera-Slum, in dem die Schule liegt, leben rund 100.000 Menschen in Wellblechhütten oder Verschlägen. Die Tenderfeet School wurde 2000 gegründet. Heute wird sie von 260 Kindern besucht. 30 Kinder wohnen in der Schule für weitere 130 ist der Unterricht umsonst. Bei den restlichen Kindern zahlen die Eltern eine Gebühr, soweit es ihnen jeweils möglich ist. Margaret ist ausgebildete Lehrerin und hat diesen Job auch vor ihrer Zeit bei Tenderfeet ausgeübt. War aber unzufrieden, und wollte mehr bewegen. Auch wegen ihres Glaubens. Ich vermute jedoch, dass das nicht im Vordergrund stand.
Die Schule verfügt momentan über die beachtliche Zahl von 14 Lehrer*innen für elf Klassen. Ein mehr oder weniger lückenloser Unterricht ist somit gewährleistet. Es gibt zudem fünf Computer und einen Drucker. Seit Gründung der Schule hat Tenderfeet 2.000 Absolvent*innen hervorgebracht. Wie in den BCC-Schools bekommen die Kinder auch in der Tenderfeet ein warmes Schulessen. Unterrichtet werden die Kinder gemäß dem kenianischen Bildungssystem in fünf Wissensblöcken. Die Blöcke eins und zwei umfassen die beiden Muttersprachen des Landes, Suaheli und Englisch. Block drei die Naturwissenschaften und Erdkunde. In etwa vergleichbar, was bei uns früher Sachkunde war. Block vier sind Social Sciences (Sozialwissenschaften, Politik, Geschichte). Der fünfte Block schließlich ist Mathematik. Auch bei Tenderfeet umfasst die Bibliothek ausschließlich Lehrbücher.
Nach der Führung durch die Schule und der Begrüßung durch zwei Lehrer und einer Handvoll Schüler*innen (auch in Kenia sind gerade Osterferien), der obligatorischen Eintragung ins goldene Buch der Schule, lud uns Margaret zum Schulessen ein (Reis, Gemüse, Spiegelei). Nach Gebet und Essen vertieften wir unser Gespräch über die Historie und die Zukunft der Schule. Wichtig erscheint mir, dass wir mal die kenianische Solar-Firma positiv hervorheben. Vom ersten Tag an funktionierte die Anlage tadellos – bis heute.
Tja und jetzt komme ich, so sympathisch mir Margaret auch ist, und so toll ich das Projekt auch finde, zu meinem „Problem“ mit Tenderfeet. Neben uns wird die Tenderfeet-School auch noch von einer Gruppe aus den USA – unter anderem die Laconia-Saving-Bank & Laconia Hampshire (USA) – unterstützt. Die Gruppe schenkte der Schule letztes Jahr einen nagelneuen, großen Schulbus. Zudem besitzt die Schule noch einen zweiten, kleineren Bus. Natürlich fallen einem auch bei der Tenderfeet-School eine Vielzahl von Verbesserungsmöglichkeiten ein, wie z.B. eine kleinere Erweiterung des Solarpanels, damit auch die Wasserpumpe elektrisch versorgt wird und nicht mehr per Hand gepumpt werden muss. Ja klar, auch andere Sachen wie Bücher, noch ein paar Laptops, das aber…, im Vergleich zu den anderen Projekten, die wir besucht haben, stellt die Tenderfeet-School einen Meilenstein, meinetwegen auch ein Paradebeispiel für geglückte Unterstützung privater Natur in einem absoluten Armenviertel dar. Man kann nur hoffen, und da sollten wir auch daraufhin arbeiten, dass Tenderfeet eine echte Leuchtturmwirkung entfaltet. Dennoch oder gerade deshalb komme ich zu dem Schluss, dass der Hilfsbedarf – derzeit – von allen besuchten Projekten mit Abstand am geringsten ist!
Lighthouse Grace Care Center (Kibera, Nairobi) am 25.04. 2019
Nach der Verabschiedung von Margaret ging es – immer tiefer in die Slums hinein – zu unserem letzten Termin. Dadurch, dass unser Wagen mehrmals auf den nicht asphaltierten Wegen aufsetzte, wurde auch unsere Verdauung angeregt. Nach längerem Suchen – hilfsbereit wie immer wurde uns von den Slum-Bewohner*innen geholfen – kamen wir an dem versteckt gelegenen Schulgebäude an, wo wir von dem Schulleiter George Nyanga und seiner Frau Regina begrüßt wurden.
Nach der freundlichen Begrüßung wurden wir in den Hauptraum der Schule geführt, wo Kinder für uns tanzten und sangen. Begleitet wurden sie dabei von einer Art Schulband auf traditionellen afrikanischen Instrumenten. Nach der Aufführung bat mich George spontan eine Rede vor den Schüler*innen und den anwesenden Lehrer*innen zu halten. Wie man weiß, kann ich über jedes Thema reden, vor allen Dingen – und am überzeugendsten – über Themen von denen ich überhaupt keine Ahnung habe. Entsprechend souverän wurde ich der Aufgabe gerecht. Lediglich Thien war die Enttäuschung anzumerken, dass ich nicht zu einer weiteren Tanzeinlage aufgefordert wurde.
Das anschließende Gespräch fand – im Stehen – auf dem Schulhof mit George und Regina statt. Auch wurden uns nur Teile der Schule gezeigt, aber die waren schon übel genug. Prima fand ich indes, dass die beiden uns den gedruckten „Two-Pager“ über das Grace-Care-Center aushändigten, der sich im Anhang des Berichts befindet. So musste ich mir weniger Notizen machen. Auch gut, dass George als einziger nicht von Gott sprach, obwohl er Priester ist!
Gegründet wurde das Grace-Care-Center 2007 mit zunächst zehn Kindern. Heute besuchen 600 Kinder die Schule. Ein Teil davon schläft und wohnt auch in der Schule. Es gibt einen Jungen und einen Mädchen-Schlaftrakt.
Was die sonst noch haben, ist: gar nichts! Kein Solarpanel – dafür Kerosin- und Paraffinlampen und natürlich lungenkranke Kinder. Kein Strom – kein sauberes Trinkwasser – dafür ständig Infektionskrankheiten. Kein Computer, zu wenig Bücher und jedes Jahr mehr Kinder, die von zu Hause abhauen, um sich den Strohhalm Schule zu greifen. Ich stelle mir vor, dass so das BCC und die Tenderfeet School ausgesehen haben, bevor die Hilfsmaßnahmen angelaufen waren. Ich gebe dem Grace-Care-Center die höchste Priorität für weitere Hilfsmaßnahmen. Ganz oben steht – das passt ja – ein Solarpanel, weil damit viele Probleme gleichzeitig angegangen werden (Kerosin, Wasser, Gesundheit, auch Technik, da die ohne Strom wenig bringt).
Den Abflugtag am 27.04.2019 nutzten wir für eine kleine Stadtrundfahrt. Wir waren am Glockenturm des Parlaments, dem Sitz des Gouverneurs, im Businessdistrict und beim Supreme Court von Kenia. Bevor wir uns wieder in den täglichen traffic-jam kurz vor unserem Hotel einordneten, besuchten wir noch den Uhuru-Park, die grüne Lunge der Stadt. Dem Central Park in New York nicht unähnlich, hat man vom oberen Ende des Uhuru Parks einen tollen Blick über die Stadt – vor allem über den aufstrebenden Teil von Nairobi.
Hamburg, 26.04.2019
Dr. Martin Bischoff
Autor
Dr. Martin Bischoff
Gesellschafter der Bischoff & Ditze Energy Verwaltungs GmbH
Fotograf
Thien Ditze